Polarlicht 29. Oktober 2003 auf Usedom

Am Abend des 29. Oktober 2003 gab es wohl eines der stärksten Polarlichter der letzten Jahre über Mitteleuropa zusehen. Nur schade, dass vielerorts Wolken oder Nebel die "Show" beeinträchtigten.

Ein gewaltiger Massenauswurf auf der Sonne hatte alle Polarlichtenthusiasten schon am Dienstag, den 28. Oktober elektrisiert. Der Auswurf war sogar im Weisslicht als Flare zu erkennen und war ziemlich genau erdgerichtet. Die "Weltraumwetterwarten" informierten die Presse von dem bevorstehenden Ereignis, welche das Thema begierig aufgriff. Am Donnerstagmorgen unserer Zeit traf der Sonnenwindsturm auf das Erdmagnetfeld, jetzt wurde er von verschiedenen Satelliten registriert, deren Instrumente der Teilchenflut teilweise gar nicht mehr gewachsen waren. Alarm! Donnerstagabend meldeten viele Fernsehnachrichten und -magazine diesen Sturm. Manchmal ein wenig sensationsheischend aufgemacht, manchmal auch durchaus sachlich und seriös. Ich selbst konnte einen kurzen Beitrag im Regionalmagazin des NDR für Mecklenburg-Vorpommern sehen, indem ein Mitarbeiter der Sternwarte Greifswald das Ereignis ein wenig erläuterte. Der Fernsehbeitrag war unterlegt mit einer Reihe von Bildern, die - wie ich unschwer erkennen konnte - einfach von der Webseite von Thomas Saevert abgefilmt war. Einmal mußte ich jedoch schmunzeln, als der Sprecher sagte "schon gestern war der Himmel über Skandinavien blutrot" und dazu ein Bild von Mark Vornhusen (entstanden in Deutschland) gezeigt wurde.

Aber was nützen einem die tollsten Ankündigungen und Bilder aus dem Internet, wenn der Himmel voller Wolken hängt? Und als dann auch noch Lutz Schenk anrief und sich nahc dem Wetter bei mir erkundigte, war meine innere Stimmung auf einem fürchterlichen Tiefpunkt angekommen. Hier war doch alles dicht und ich war hier auf Usedom doch nur um ein paar Tage Frien zu machen, ich kannte mich doch gar nicht aus, sollte ich schnell von der Insel runter? Aber wohin? Wo gab es Wolkenlücken? Ich hatte doch auch keinen Internetanschluss - für die Ferienwohnung war ein Telefon versprochen worden, also hatte ich gehofft, da mein Notebook anschließen zu können, um wenigstens etwas online zu gehen - aber dieses "Telefon" war ein in der Wohnung installierter Münzfernsprecher! Nein - dieses Polarlichtereignis schien ohne mich stattfinden zu müssen.

Unruhig lief ich alle halbe Stunde zum Fenster - immer wieder Wolken! Doch halt - es war circa 21.30 Uhr - war da nicht doch ein Stern im Osten zu sehen? Ja! Und da noch einer! Jetzt schnell warme Sachen anziehen, Kamera aufs Stativ raufschrauben und runter an den Strand. Wenn ich eine Chance hatte, dann jetzt!

Ob mich wohl einer blöd anmacht, wenn er mich so abends im Dunkeln mit Stativ und Kamera über die Strandpromenade gehen sieht? Doch diese Ängste waren vollkommen unbegründet, keine Menschenseele zu sehen. Stattdessen - nein, das konnte es doch nicht sein, der Himmel Richtung Norden war ja total aufgehellt. Der große Wagen war auf Anhieb gar nicht zu erkennen, so hell war es dort. Scheinwerferlicht, was sich am Dunst bricht? Nein, mein Gott - so etwas hast Du noch nie gesehen, ging es mir durch den Kopf. Das konnte, das mußte das Polarlicht sein. War das diese kleine, leicht grünlich schimmernde Aufhellung, die man so manchmal am Nordhimmel nur wenige Grad über dem Horizont sieht? Wo wirklich nur eingeweihte wissen können, dass dies nichts mit Dämmerung zu tun hat, sondern doch nur Nordlicht sein kan? Das Aufhellungsgebiet war jetzt ja riesig! Es erhob sich im Westen unterhalb der Sternbilder Schwan und Leier, ging hoch hinauf bis zum kleinen Wagen und senkte sich dann im Osten wieder hinab, kurz vor dem Sternbild Zwillinge, das zusammen mit Saturn bereits aufgegangen war. Das waren doch glatte 90 Grad Horizontbreite und rund 50 Grad Höhe. Wie sollte ich das jemals mit meiner Kamera einfangen können?

Um 21.49 Uhr machte ich mein erstes Foto.

Wie die meiste der in dieser Nacht entstehenden Bilder wurde es mit den Einstellungen 400ASA, Blende 2.2, Belichtungszeit 15 Sekunden und Brennweite 7mm Weitwinkel fotografiert. Deutlich ist das grüne Polarlicht zu erkennen. Von der großen Bärin sind die meisten Hauptsterne zu sehen, einige dunkle Wolken fallen sofort ins Auge. Das Grün war mit bloßem Auge natürlich nicht so kräftig zu erkennen wie auf dem Foto, hier ist die Kamera mit ihrer längeren Belichtungsdauer doch eindeutig im Vorteil.

Als nächstes ein Foto vom "Rand" des Polarlichts im Nordosten. Das Sternbild Zwillinge mit den Hauptsternen Castor und Pollux ist gerade aufgegangen. Rechts von diesen beiden Sternen ist der helle Planet Saturn gut zu erkennen. Dieses Bild wurde mit den gleichen Daten wie das erste Foto geschossen (15 Sek, Bl. 2.2, 7mm, 21:52 Uhr), jedoch die Empfindlichkeit wurde auf 200 ASA heruntergesetzt.

Am linken Bildrand erkant man die Ausläufer der großen grünlichen Himmelsaufhellung. Zwischen Castor/Pollux und Saturn ist ein rötlicher Strahl zu erkennen. Die Wirkung wurde gegenüber dem Originalfoto durch Anheben von Kontrast und Helligkeit etwas verstärkt. Mit bloßem Auge erschien dieser Strahl eher als eine "strichweise" weiße Aufhellung. Einzelne Strahlen dieser Art waren am Rande des grünlichen Bereichs immer mal wieder zu erkennen. Sie waren meist jedoch nur wenige Sekunden auszumachen und sind daher auch nur auf wenigen Fotos des Abends zu erkennen. Im Vordergrund des Fotos sieht man den Strand von Bansin, die starken Lampen rechts im Bild sind die Laternen der Seebrücke. Draußenn auf dem Meer sind auch noch die Lichter eines Ausflugsdampfers (?) zu erkennen.

Das nächste Foto entstand nur eine Minute später mit exakt den gleichen Daten, auch hier wurden wieder mittels Bildbearbeitungsprogramm die Farben etwas kräftiger herausgearbeitet.

Schaut man sich die beiden Bilder in einem Bildbetrachter abwechselnd an, kann man gut erkennen, wie das Boot sich in der einen Minute ein gutes Stück "nach links" bewegt hat. Der rötliche Aurorastrahl hat sich dagegen nach rechts auf Saturn zu bewegt! Und auch die Bewegung der Sterne ist innerhalb einer Minute schon deutlich zu erkennen.

Danach richtete ich die Kamera wieder nach Norden aus. Auf dem folgendenden Bild ist ganz oben am Rand auch alpha UMi, der Polarstern, zu erkennen.

Die technischen Einstellungen waren jetzt: 15 sek, Bl. 2.0, 7mm, 400 ASA, 22:02 Uhr.

In der Zwischenzeit hatte ich über Handy bei meiner Familie angerufen, die ja in der Ferienwohnung geblieben war. Sie mußten einfach herauskommen, ein solches Naturschauspiel darf man sich doch nicht entgehen lassen! Ich mußte meine Begeisterung einfach weitergeben und wie kann man das schöner, als mit einem Kuss für die allerliebste Ehefrau?

Auch dieses Bild wurde 15 Sekunden belichtet . Dies erklärt auch, warum der Strand im Vordergrund so hell erscheint. In Wirklichkeit war es draußen natürlich viel dunkler und keine Menschenseele hat meine Frau und mich gesehen..., doch damit war die Nacht noch nicht zu Ende.

Dieses Foto (15 sec., Bl. 2.0, 7mm, 400 ASA, 22:15 Uhr) zeigt innerhalb des grünen Bereichs wieder einen helleren Strahl.

Um 22:24 Uhr wendete sich mein Blick wieder einmal zur Seebrücke. Dort war gerade der Orion aufgegangen.

Dieses Foto wurde nur 10 Sekunden belichtet und auch nur bei 100 ASA (22:24, Bl. 2.0). Rechts am Rand ist eine rötliche Aufhellung zu erkennen. Zunächst ignorierte ich dieses Licht, ich dachte, das kann doch nur Streulicht aus einem der Badeorte sein. Denn Nordlicht heißt Nordlicht, weil es im Norden auftritt, oder etwa nicht?

Jetzt wollte ich mir die Ränder des Polarlichts aber doch etwas genauer ansehen. Die Leier war im Nordwesten schon ein ganzes Stück tiefer gesunken.

Um 22:31 entstand dieses Bild (10 sec., Bl. 2.0, 7mm, 400 ASA). Natürlich strahlt im Vordergrund das Strandhotel kräftig, aber ist nicht hinter dem Sternbild Leier ein lila Schimmer zu erkennen?

Mit der Kamera drehte ich mich noch weiter nach Westen.

Mars leuchtet hell über den Hotels und Villen des Ortes an der Strandpromenade (wieder 10 sec., Bl. 2.0, 7mm, 400 ASA). Deren Licht überstrahlt jedoch alles, was in dieser Richtung auf Polarlicht hindeuten könnte. Doch in meinen Augenwinkeln sah ich schon etwas ganz anderes:

Richtung Süden, ziemlich genau über der Seebrücke war es - inzwischen auch mit dem bloßen Auge erkennbar - feuerrot geworden (15 sec., Bl. 2.0, 7mm, 400 ASA, 22:55 Uhr). Ich war hin und weg. Wo kam jetzt plötzlich dieses Rot her? Streulicht von irgendwelchen Hotels konnte das bestimmt nicht sein. Waldbrand hinter der Grenze nach Polen? Genauso unwahrscheinlich. Das mußte doch auch Polarlicht sein. Aber so weit im Süden, so nahe am Horizont?

Aber das Rot bleib dort noch lange. Und selbst bei nur 4 Sekunden Belichtungszeit war dieser große rote Fleck am Himmel zu sehen (4 sec., Bl. 2.0, 7mm, 400 ASA, 00:14 Uhr). Nach Mitternacht war es inzwischen am ganzen Himmel so zugezogen, dass kein Stern mehr zu sehen war. Und trotzdem leuchtete es im Süden so rot. Doch Streulicht? Aber wer und was könnte dafür die Ursache sein? Und wenn man genauer nach Norden schaute, dort wo die Wolken nicht so dicht gepackt zu sein schienen, dass der Himmel schwarz war, leuchtete es dort nicht eher etwas grünlich durch die Wolken?

Was war das nur für ein Polarlicht, so intensiv, dass es selbst durch Wolken oder Hochnebel hindurchdrang. Was wäre bloß, wenn der Himmel klar geblieben wäre? Was für eine Nacht!

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